Im Interview mit Scoredex verrät Gernot Ramrath, Vermögensberater bei Ramrath & Partners, seine Faustformel für das richtige Verhältnis von Sicherheit, Rendite und Liquidität. Laut Gernot Ramrath hängt dieses richtige Verhältnis aber immer auch von den individuellen Zielvorstellungen jedes einzelnen Investors ab.
Scoredex: Sie sind seit 20 Jahren erfolgreich als Vermögensberater am Markt. Wie funktioniert Vermögensberatung in Zeiten des Niedrigzinses?
Gernot Ramrath: Ich kann das nur aus unserer Sicht erläutern, wie wir das machen. Wenn wir mit einem Kunden zusammenarbeiten, dann unterhalten wir uns als allererstes über seine Ziele. Wir stellen die Frage, wohin die Reise eigentlich gehen soll, um herauszufinden, was unser Kunde eigentlich haben will. Und zwar nicht hinsichtlich eines Produktes, sondern seine grundlegende Intention, was ihm vorschwebt. Dann hat man schon einmal die grobe Zielrichtung.
Als nächstes beschäftigen wir uns mit der Frage, dies gilt insbesondere im Investmentbereich – hier sind wir auch schwerpunktmäßig tätig – was der Kunde sich nach seiner eigenen Risikoeinschätzung vorstellt. Wie ist die Risikoneigung? Schätzt er sich eher als offensiv oder eher als konservativ ein?
Ganz oft stellt sich an dieser Stelle heraus, dass die meisten Leute anfangs sagen, dass sie eher risikobewusst sind. Wenn dann aber aufgezeigt wird, was risikobewusst eigentlich heißt, beispielsweise dass es auch zu einem Totalausfall kommen kann, dann rudern sehr viele wieder zurück. Dann heißt es: „So risikobewusst bin ich dann doch nicht.“
Leider wird bei vielen unserer Mitbewerber dieser Punkt häufig übergangen, und es werden Risikoklassen ausgewählt, die auch Totalverlustrisiken beinhalten. Ich halte es für ein ganz entscheidendes Thema, dass man nicht versucht, den Kunden in ein Produkt zu pressen, den Kunden also passend zum Produkt zu gestalten, sondern den umgekehrten Weg geht und den entsprechenden Lösungsansatz sucht, der zum Kunden passt.
Scoredex: Wir bewegen uns also immer zwischen den Polen Rendite und Risiko?
Gernot Ramrath: Ja, generell. Sie haben ja dieses magische Dreieck: Sicherheit, Rendite und Liquidität. Häufig werden Produkte ja als eierlegende Wollmilchsau bezeichnet. Unter dem Motto: „Bei uns bekommen Sie 100 Prozent sichere Geldanlagen mit hoher Rendite. Sie können permanent über das Geld verfügen, wenn mal was ist, dann kommen Sie immer an das Geld ran. Risiken gibt es dafür keine.“ Wer Ihnen so etwas sagt, der lügt schlicht und einfach.
Uns fällt es relativ leicht, unseren Kunden aufzuzeigen, wie die Realität aussieht, wie sie aufgestellt sind. Wenn wir die Präferenzen dann erarbeitet haben, dann geht es an die Produktauswahl. Da fangen wir ja auch selten bei null an, die meisten haben ja schon irgendwas gemacht. Daher ist die Bestandsaufnahme auch so wichtig.
Wir gehen den Trend zur siebten Lebensversicherung jedenfalls nicht mit. Der ist nämlich dermaßen desaströs und ein Schuss ins Knie, dass ich fast immer abraten kann, indem man die typischen Sparprozesse von den sogenannten Risikobereichen trennt, weil es zu kostenintensiv ist, diese Hybridprodukte zu wählen. Wenn man den Kunden die Kosten mal aufzeigt, sind sie darüber häufig irritiert.
Scoredex: Sie empfehlen also eher eine Risikolebensversicherung und eine Fondsbeteiligung, anstelle einer klassischen kapitalbildenden Lebensversicherung?
Gernot Ramrath: Ganz genau, wenn denn der Todesfall abgesichert werden muss, beispielsweise bei einer Hausfinanzierung. Gleiches gilt aber auch bei der Berufsunfähigkeitsabsicherung, welche ja ein existenzielles Risiko darstellt und eigentlich genauso wichtig ist wie eine Haftpflicht oder Krankenversicherung. Diese wichtigen Punkte müssen als erstes geklärt werden.
Erst danach können wir uns fragen, wie die finanzielle Situation des Kunden eigentlich aussieht. Als erstes fragen wir dann, ob das Girokonto überzogen ist. Wenn das der Fall sein sollte, bringt es nämlich nichts, einen Sparvertrag zu zeichnen, sondern das Konto muss auf Vordermann gebracht werden.
Es gibt nämlich nichts Teureres, als wenn ein Kunde Geld für sein Geld bezahlt. Es ist viel besser, wenn er Geld für sein Geld bekommt. Daher achten wir darauf, dass erst einmal der finanzielle Haushalt beim Kunden in trockenen Tüchern ist. Hier stellt sich dann häufig heraus, dass wir selbst erst einmal pro bono tätig sind – das heißt ohne Bezahlung für die Arbeit, die wir als Unternehmen leisten.
Erst im zweiten Schritt, wenn die finanzielle Situation des Kunden geklärt ist und auf vernünftigen, soliden Beinen steht, dann kann man sich über das Thema Kapitalaufbau unterhalten. Dann geht es um die Ziele: eine eigene Immobilie, dann braucht man ein wenig Eigenkapital, sonst wird die Finanzierung zu teuer.
Oder die Immobilie existiert schon beim Kunden, was bei uns als Vermögensverwalter häufig vorkommt, dann muss man sich Gedanken darüber machen, welche Sparprozesse von Nöten sind, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Manchmal müssen wir den Kunden auch stoppen und erklären, dass der Weg, den er plant, auch Risiken beinhaltet, zum Beispiel dass es dann keine freie Liquidität mehr gibt.
Scoredex: Gibt es eine Faustformel, die Sie empfehlen?
Gernot Ramrath: Ja, da spielt zwar das individuelle Bedürfnis eines jeden Kunden eine Rolle, aber generell kann man sagen: Girokonto mindestens auf null, es sollte auch ein Gehalt auf diesem Konto vorhanden sein.
Zusätzlich sollte man sechs Gehälter auf dem Tagesgeldkonto haben, falls mal die Spülmaschine kaputt geht oder die Waschmaschine oder alles zusammen – und auch noch eine Autoreparatur dazukommt. Damit Sie dann nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, sondern auch kurzfristig die Möglichkeit haben, auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren.
Erst dann unterhalten wir uns über Investments in der nächsten Risikostufe. Beispielsweise kann man dann über Festgeld nachdenken. Das ist eine sichere und rentable Geldanlage, aber das Thema Liquidität bleibt auf der Strecke, weil ich erst nach ein oder zwei Jahren, je nachdem wie die Laufzeit gewählt wird, wieder die Möglichkeit habe, über mein Geld zu verfügen.
Das ist nicht einfach, man muss eine vollständige Haushaltsplanung machen. Bei uns geschieht dies über ein System namens Moneycheck – das ist nichts anderes als ein Financial Planning, das alle Einnahmen und Ausgaben im kurz-, mittel- und langfristigen Rahmen erfasst. Und auch die Sparprozesse im kurz-, mittel- und langfristigen Bereich erfasst.
Ganz wichtig ist zudem, dass man mit dem Kunden kontinuierlich zusammenarbeitet. Wir haben eine sehr hohe Vertragsdichte bei unseren Kunden, weil wir kontinuierlich Kontakt halten. Wenn es einen Nachtrag gibt, sei es von einer Versicherung oder einem Investment, dann nehmen wir automatisch Kontakt mit dem Kunden auf.
Gerade im Versicherungsbereich muss man das Portfolio immer im Blick haben, weil sich so viel ändert. Dann informieren wir unsere Kunden, wenn es Sparpotentiale gibt. Und zwar nicht wegen der Provisionen, denn im Versicherungsbereich ist der Aufwand häufig höher als die Provision. Aber durch den Spareffekt wird Liquidität beim Kunden frei, die im zweiten Schritt anderweitig genutzt werden kann.
Scoredex: Was sind die häufigsten Fehler, die Sparer machen, die sich nicht ganzheitlich beraten lassen?
Gernot Ramrath: Vor allem die Gutgläubigkeit und der Unwille, sich umfassend mit dem Produkt auseinanderzusetzen. Häufig herrscht die Einstellung vor, einfach mal zu vertrauen oder ein Produkt aus dem Bauch heraus zu zeichnen. Das ist der vollkommen falsche Weg. Man muss sich eingehend mit den Themen befassen – und auch wir sind gefordert, uns mit dem Kunden hinzusetzen, um Schritt für Schritt die Punkte durchzugehen und eine geeignete Strategie zu entwickeln.
Wir müssen uns auch immer fragen, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Lösung hat, welche Chancen und Risiken die jeweilige Strategie mit sich bringt. Denn eine Medaille hat immer zwei Seiten. Es gibt einige Vorteile, aber es gibt auch immer Nachteile. Und man muss die Nachteile auch ganz klar aufzeigen.
Dadurch, dass wir versuchen, dies so neutral wie möglich zu kommunizieren, haben wir auch eine sehr gute Akzeptanz am Markt. Mittlerweile sind wir im 21. Jahr. Ich denke das spricht für den Weg, den wir gehen. Der Erfolg gibt uns Recht.
Scoredex: Herr Ramrath, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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