Die Prokon-Pleite zeigt: Angelockt durch hohe Renditeversprechen hört bei vielen Anlegern der Verstand offensichtlich auf zu arbeiten, das kritische Denken setzt scheinbar aus. In diesem Zusammenhang stellen sich Fragen wie: Gibt es eigentlich eine Kontrollinstanz für zwielichtige Anlageformen, welche Anlegern Sicherheit garantiert? Sind Anleger oft zu naiv oder gar selbst zu gierig? Und wissen deutsche Anleger überhaupt genug bescheid über Finanzprodukte?

Gier oder Dummheit? Warum Anleger ihr Geld so leichtfertig aus der Hand geben? – Das erörterte Plasberg letzten Mittwoch in „Hart aber Fair“ unter dem Motto „Die Gier-Falle – Wer schützt unser Geld vor Betrügern?“
Dieses Thema diskutierte Frank Plasberg letzten Mittwoch in seiner Sendung „Hart aber Fair“ auf ARD gemeinsam mit seinen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Geladen waren:
– Steffen Kampeter, CDU, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium
– Josef Müller, ehemaliger Steuer- und Vermögensberater
– Edda Castelló, Rechts- und Finanzexpertin Verbraucherzentrale Hamburg
– Oskar Lafontaine, DIE LINKE, Fraktionsvorsitzender Saarland
– Christoph Bruns, Vorstand und Fondsmanager der LOYS AG, lebt in den USA
– Klaus Nieding, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Anlegerschützer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz DSW e.V.
– Heidi Semsei, Prokon-Anlegerin
Um Ihre Rente aufzustocken lies Heidi Semsei, damals 63 Jahre alt, sich von einem ansprechenden Flyer in Ihrem Briefkasten, der Ihr eine Geldanlage in Form von Genussscheinen mit hoher Rendite versprach dazu anregen, nur wenige Tage später stolze 15.000 € in die mittlerweile insolvente Ökostromfirma Prokon zu investieren. Ihr Geld wird Frau Semsei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie wieder sehen, genauso wenig wie die weiteren ca. 75.000 Anleger. „Dass es irgendwo ein kleines Risiko gibt, das war mir klar, aber dass wirklich einmal alles weg sein könnte, damit hatte ich nicht gerechnet. Natürlich hätte ein Alarmglöckchen läuten sollen. Aber das tat es nicht.“, so Frau Semsei. Nun müsse Sie täglich daran denken, ob Sie Ihr Geld jemals wiedersehe.
Heidi Semsei: „Ich denke von morgens bis abends darüber nach, ob ich mein Geld wiedersehe.“
Der Fall der geprellten Anlegerin entfachte gleich im Anschluss eine heftige Debatte. Herr Kampeter machte als erster sofort seine Position klar: die Anleger seien selber Schuld, wenn sie solche Entscheidungen unsorgfältig fällten. Wer in aufgeschwatzte Produkte investiere, die er nicht verstehe, habe im schlimmsten Fall das Nachsehen. Anlegern, die sich nicht mit den gesetzlich vorgeschriebenen Risikowarnungen bezüglich eines Totalverlustes im Prospekt auseinandersetzten, ließe sich auch nicht mehr helfen, so in etwa die Meinung des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium.
Steffen Kampeter: „Anlageentscheidungen sind viel wichtiger als viele andere Entscheidungen, die wir treffen – und deswegen sollten wir sie sorgfältig vorbereiten. Dazu ist jeder Anleger verpflichtet.“
Oskar Lafontaine und Edda Castello bezogen einen gegensätzlichen Standpunkt. Prokon sei nicht der erste Fall. In der Vergangenheit habe es immer wieder solche Geschehnisse gegeben. Man erinnere sich nur an Beispiele wie S&K, welche die Einnahmen von zigtausend Anlegern in dreistelliger Millionenhöhe veruntreut haben. „Die Leute sind nach wie vor diesen Angeboten ausgeliefert.“ konterte Castello. Die Politik sei deshalb in der Pflicht hier die Rahmenbedingungen zu verbessern, so das Fazit der Rechts- und Finanzexpertin.
Edda Castelló: „Ich verstehe auch mein Auto nicht, trotzdem kann ich es ohne Schaden bewegen. Das heißt, dass auch die Finanzprodukte für Verbraucher so gestaltet sein müssen, dass sie keinen Schaden nehmen.“
Herr Lafontaine forderte gar eine Art „Finanzanlagen-TÜV“. Nur ein unabhängiges Gütesiegel könne für die bestmögliche Transparenz sorgen, damit die Anleger auf der sicheren Seite stehen.
Oskar Lafontaine: „Die Riester-Rente ist mehr oder weniger gefloppt – was sollen die Leute denn machen, als sich solchen Anlagemöglichkeiten zuzuwenden?“
Bruns, Chef der LOYS AG, hingegen vertrat wiederum eher die Meinung Kampeters und ergänzte den Standpunkt mit der Aussage, dass sich die Deutschen grundsätzlich viel zu wenig mit dem Thema Finanzanlagen auseinandersetzten. Die Amerikaner seien da notgedrungen schon viel weiter und aufgeklärter in Bezug aufs Geldanlegen. Wegen der geringeren sozialen Absicherung sind sie nämlich in viel stärkerem Maße gezwungen sich ernsthaft mit der privaten Vorsorge zu beschäftigen. Zum Grundwissen gehöre eben auch die Kenntnis, dass Finanzanlagen gestreut werden müssen. Doch selbst solches Basiswissen sei hierzulande aber kaum vorhanden. Selbst Castelló hatte dem nichts mehr beizupflichten und teilte Bruns‘ Ansicht begründend auf seinen eigenen Erfahrungen.
Christoph Bruns: „Finanzanlagen muss man streuen. Das ist das zentrale Werkzeug, um Risiken, wenn sie denn auftreten, zu verteilen.“
Seine letzte und provokante Frage richtete Plasberg an Heidi Semsei: „Haben Sie sich von der Gier zu einer Prokon-Anlage verleiten lassen“. Ihre Antwort: „Nein, gierig war ich nicht.“. Sie habe es einfach nicht besser gewusst und trotz der hohen Renditeversprechen niemals mit einem Totalausfall geschweige denn mit einer Insolvenz gerechnet.
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